Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD, AGS:

Für eine soziale, nachhaltige und ökologische Wirtschaft

Landeskonferenz der AGSNRW II

Veröffentlicht am 04.11.2015 in Veranstaltungen

Auf der Landeskonferenz der AGSNRW zu Gast war Herr Dr. Thomas Köster, Leiter des Kompetenzzentrums Soziale Marktwirtschaft des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags (NWHT). Er referierte zum Thema "Duale Berufsausbildung und Soziale Marktwirtschaft - eine Schicksalsgemeinschaft?". Bevor Herr Dr. Köster auf das bestehende System der dualen Berufsausbildung zu sprechen kam, verdeutlichte er, auf welche lange Tradition sich das hiesige Handwerk berufen kann. Aber auch, wie häufig das handwerkliche Qualifizierungssystem in der Vergangenheit bedroht gewesen ist.

Historie

Seit dem Mittelalter bis zur französischen Revolution wurden über Zünfte Kenntnisse und Fähigkeiten herausgebildet, die später grundlegend für den Beginn der industriellen Revolution waren. Zünfte und Innungen waren im Mittelalter wichtige Systeme der Wissensweitergabe - unabhängig von Familienbeziehungen -. Erst der fürstliche Absolutismus ließ diese Entwicklung abbrechen, die französische Revolution fügte die gemeinsame Gewerbeverfassung gänzlich hinweg: die Meisterlehre, die gegenseitige Stützung innerhalb der Berufsgemeinschaft. Eine beispiellose materielle und moralische Verelendung des Handwerks war die Folge. Die frühe Sozialbewegung des 19. Jahrhunderts nahm diese zum Ausgangspunkt ihres Handelns. Der Wiederaufbau der Strukturen des Handwerks, u.a. in Deutschland, ist ganz wesentlich in diesem Zusammenhang auf Adolf Kolping zurückzuführen.

Heutige Berufsbildungsmodelle

Vergleicht man die heutigen Berufsbildungsmodelle, gibt es einmal das angelsächsische: "training on the job", durch sogenannte Qualifizierungs-Collagen, anstelle der Ausbildung in voller Berufsfeldbreite. Dies führt zur Abhängigkeit in Bezug auf einen bestimmten Job. Zum anderen gibt es das südeuropäische Modell: berufliche Bildung in Schulen. Die Folge: Praxisferne, schlechte Vermittlungschancen, hohe Jugendarbeitslosigkeit. (In 20 von 28 EU-Mitgliedstaaten liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 25 Prozent).

Duale Berufsausbildung

Drittens gibt es das duale System: Ausbildung im Betrieb im engen Konnex mit der Auftragserledigung für Kunden in einem anerkannten Beruf. Hier ist der Staat Regelsetzer und Schiedsrichter in Verbindung mit den Kammern der Wirtschaft. Wettbewerb und Marktnähe schlagen auf die Ausbildungsprozesse direkt durch. Der Lehrling ist in die Leistungserstellung direkt eingebunden. Der Kunde kauf oder kauft nicht. Der Kunde lobt oder tadelt. Nichts löst mehr Lerneffekte aus, nichts motiviert mehr, als eine solche Rückkopplung zum Kunden. Keine Schule oder behütete Lehrwerkstatt kann das ersetzen. Der Arbeitgeber hat den Lehrling kennen gelernt und kauft bei dessen Übernahme in eine Beschäftigungsverhältnis nicht die "Katze im Sack". Um dieses System beneidet uns die Welt. Es führt zu niedriger Jugendarbeitslosigkeit.

Das duale System setzt voraus, dass der Unternehmer es als sein Interesse erkennt, in die Qualifikation von Mitarbeitern zu investieren; dass der Unternehmer es ertragen kann, wenn der Ausgebildete zur Konkurrenz wechselt. Gute Gründe für das Festhalten am Berufskonzept: Berufsqualifikation wird zum legitimen und fast einzigen Weg des sozialen Aufstiegs; Soziale Stellung und Ansehen abgeleitet von der Stellung im Beruf.

Handwerk gegen (Jugend-)Arbeitslosigkeit

Auf dieser Grundlage sollten Beiträge zur Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa geleistet werden. Auch für die Bewältigung der Flüchtlingskrise hat das Handwerk Integrationspotenzial von unschätzbarem Wert.

Handwerk und Europa

Die EU wirft dem Handwerk jedoch Knüppel zwischen die Beine: Permanente Aufforderungen Deutschlands, die Abiturienten- und Hochschulabsolventen auf über 40 Prozent zu steigern und den Meisterbrief abzuschaffen. Wer jedoch den Meisterbrief beseitigt, ruiniert das duale System der Beruflichen Bildung. Stattdessen sollte die EU den Wettbewerb unterschiedlicher Berufsbildungssysteme ermöglichen.

FAZIT: Ohne duale Ausbildung kann die Soziale Marktwirtschaft ihr Versprechen, Chancen auf sozialen Aufstieg zu eröffnen, für breite Bevölkerungskreise nicht einlösen.

Bericht: Christiane Breuer, Quelle: Dr. Thomas Köster