Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD, AGS:

Für eine soziale, nachhaltige und ökologische Wirtschaft

Wirtschaft/Handwerk:

Veröffentlicht am 18.03.2014 in Veranstaltungen

Die Podiumsteilnehmer des Workshops

 

Die historischen Zünfte- Segen oder Fluch?

Diese Frage wurde beantwortet in  einer Veranstaltung der  Handwerkskammer Düsseldorf und des Kompetenzzentrums Soziale Marktwirtschaft.  Eine Einladung nach Düsseldorf,  der die AGSNRW gerne folgte.

In der Reihe: „Walter Euken-Workshop“ wurde die Rolle der Zünfte in der Vergangenheit und ihre Bedeutung für die Gegenwart behandelt. Namenhafte Wissenschaftler und Vertreter des Handwerks referierten und diskutierten dazu.

 

Seit 2012 veranstaltet das Kompetenzzentrum Soziale Marktwirtschaft in Kooperation mit der Handwerkskammer Düsseldorf Walter Eucken Workshops.

„Mit dieser (...) Veranstaltungsreihe wollen wir in Ergänzung zu unseren großen Röpke-Symposien ein kleines Format schaffen ( ...).  in der wir aktuelle Entscheidungsfragen der Wirtschaftspolitik diskutieren wollen“ (Prof. Wolfgang Schulhoff , im Februar 2014 verstorbener Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf und des NWHT)

Walter Eucken (1891-1950) war ein bedeutender deutscher Ökonom. Im  Mittelpunkt seiner Arbeit „stand die Frage des Zusammenhangs von Macht, Unfreiheit und Armut. Auf Basis dieser Analyse könnten die Rahmenbedingungen für eine Wirtschaftsordnung bestimmt werden, die zugleich die größtmögliche Freiheit und eine rationale Steuerung der Wirtschaft ermöglicht. Er war davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische Tätigkeit des Staates auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung gerichtet sein sollte und nicht auf die Lenkung der Wirtschaftsprozesse. Mit dieser These gilt Eucken als Begründer des Ordoliberalismus und als einer der Väter der Sozialen Marktwirtschaft.“ (Quelle: Wikipedia).

Das Bild des modernen Handwerks in Öffentlichkeit und Wissenschaft wird nach wie vor stark durch die historischen  Zünfte beeinflusst. Diese Zünfte prägten vom 12. Jahrhundert bis zur französischen Revolution die Gewerbeverfassung großer Teile Europas. Die Neubegründung der Handwerksorganisation gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte gemäß gänzlich anderen Prinzipien. Aber als Erbe des alten Handwerks blieb das starke Ausbildungsengagement eine Konstante für das Handwerk bis auf den heutigen Tag. Dieses starke Ausbildungsengagement des Handwerks ist heute die Grundlage für die deutsche Qualifikationskultur im gewerblich-technischen Bereich und für die beispielhaft niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.

Es ist aus unserer Sicht sehr spannend, mit ausgewiesenen Wissenschaftlern und Vertretern der Handwerksorganisation der Frage „Die historischen Zünfte- Segen oder Fluch?“ nachzugehen. (Aus der Einladung).

Dieser Einladung, die noch im Namen von Prof. Schulhoff (Zwischenzeitlich verstorben) sowie von Dr. Fuhrmann als HGF. der HWK und Dr. Thomas Köster  als Leiter des Kompetenzzentrums Soziale Marktwirtschaft unterzeichnet wurde, folgte der Landesvorsitzende der AGSNRW, André Brümmer gerne und erlebte eine hoch interessante Veranstaltung.

Die Begrüßung der Gäste übernahm (für den verstorbenen Professor Schulhoff )  Siegfried Schrempf, Vizepräsident der HWK Düsseldorf . Er sieht das Deutsche Handwerk als Teil der abendländischen Kultur .

Energisch trat er klischeehaften Vorwürfen entgegen, die Organisationen des Handwerks  seien rückwärts gewand. Er führte aus, das schon das mittelalterliche Zunftwesen nie einheitlich zu bewerten sei. Heute müsse man dieses Erbe angemessen bewerten.  Schrempf betonte den heute geltenden Gegenwartsbezug der Organe des Handwerks.

Dr. Köster  stellte in seinem Eröffnungsstatement den Zusammenhang der Berufsständigen Ordnung mit den Thesen von Walter Eucken her. Er verwies auf den historischen Bestand offener und geschlossener Zünfte und die zwingende Unterscheidung beider Formen.

Dr. Andreas Brzezinski (HGF. der HWK Dresden) ging in seinem Beitrag auf die fundamentalen Unterschiede zwischen den historischen Zünften und den heutigen Innungen ein. Auf die Tradition müsse man aufbauen, ohne zur Geisel der Vergangenheit zu werden.  Er stellte der historischen Rolle der Zünfte die gegenwärtige Funktion der Innungen gegenüber.  Die Innungen sind lt. Dr. Brzezinski als Körperschaften des öffentlichen Rechts keine Verhinderer der Marktwirtschaft mehr, sondern behandeln fachliche Probleme, sind in die Ausbildung eingebunden und  dienen der Streitschlichtung. Sie sind zwar Arbeitgeber-Organ, aber auch durch Mitbestimmungs-Regeln geprägt. Aus der Geschichte sei eine Vision für das Handwerk zu entwickeln.

Prof. Dr. Stefan Kolev, Wirtschaftswissenschaftler von der Westsächsischen Hochschule Zwickau behandelte die Rolle der Zünfte im Werk „Der Wohlstand der Nation“ vom Ökonomen Adam Smith. Smith sei ein wichtiger Denker auch für die Moderne.  Die These von Smith sei, dass der Mensch in kleiner Gemeinschaft von Empatie getrieben sei, darüber hinaus aber der Eigennutz Treiber auf Märkten sei. Höchstes Gut sei die Freiheit, aber: eingebettet in Regeln und Ordnung!  Für Smith sei die Konkurrenz der Märkte wichtig.  Zünfte waren Monopole/Kartelle, die staatlich und durch Privilegien geschützt wurden,  was zu Marktverzerrungen geführt habe. Prof. Kolev betonte, das Smith die sozialen Aspekte des Zunftwesens nicht bei seiner Bewertung berücksichtigt habe. Smith habe beschrieben, was er sah. Es war seine Zeit und seine Sicht aus seiner Zeit.

Prof. Dr. Sabine von Heusinger vom Historischen Institut/Mittlere und Neue Geschichte der Universität Köln  referierte zum Zunftwesen im Mittelalter am Beispiel von Straßburg.

In einem fundierten wie unterhaltsamen Vortrag  erklärte sie am Beispiel von Untersuchungen  zum Zunftwesen in Straßburg die Vielschichtigkeit des Zunftwesens. Das Ergebnis der Studien sei eine differenzierte Betrachtung mit Gültigkeit für viele Städte. Ein neuer Zunftbegriff sei nötig: Gewerbliche Zunft, Bruderschaft, politische Zunft und militärische Einheit. Zünfte seien keine Männerbünde gewesen, die Kartelle gebildet hätten. Vielmehr seien sie jahrhundertelang Modell des Zusammenlebens.

Es folgte eine Podiumsdiskussion zu den vorgetragenen Statements, moderiert von Dr. Ulrich S. Soénius, Vorstand und Direktor der Stiftung Rheinisch-Westfälischees Wirtschaftsarchiv zu Köln.

Josef Zipfel, HGF des Nordrhein-Westfälischen Handwerkstags trat dem Podium bei.

Zipfel zeigte sch als nicht überrascht über das differenzierte Bild der Zünfte.  „Zünftig“ stehe für „ordentlich und tüchtig“ So sei Zunft mit positiven Bewertungen verbunden. Einschränkung des Wettbewerbs sei heute für die heutigen Innungen kein Thema mehr.

Wichtige Aufgaben der Innungen seien die Ausbildungsorganisation und das setzen von Qualitätsstandards. Zipfels Fazit: Zünfte waren mehr als heutige Innungen.  Das Handwerk heute stehe für die Erfüllung neuer Aufgaben.

In seinem Schlusswort bemängelte Dr. Köster eine ausreichende Beschäftigung der Ökonomie mit dem Handwerk . Das moderne Handwerk bekenne sich zum Wettbewerb: „Jeder möchte gerne ein Monopölchen haben, aber es funktioniert nicht!“ Laut Dr Köster  steht das Handwerk für freien Leistungswettbewerb und Wahrung von Tradition. Dr. Köster ferner: „ Ausbildung ist Herz des Handwerks und kulturelles Gut.“ Lt. Eucken bleibe der Wunsch nach Geborgenheit in einer Ordnung ein Anliegen.

Fazit der Veranstaltung von André Brümmer:

Das Anliegen nach Geborgenheit in einer Ordnung hat auch oder gerade heute seine volle Berechtigung behalten. Auch insofern ist Walter Eucken immer noch aktuell. Diese Ordnung  ist im Handwerk immer wieder neuen Herausforderungen und Anpassungen unterworfen. Aber wir werden diese Herausforderungen annehmen und meistern. Egal, von wem sie kommen: Ob von der EU oder bedingt durch  wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Wir waren immer zukunftsfähig: Ob als Zunft oder Innung oder als andere Organisation des Handwerks. Warum? Weil wir es gelernt haben, uns immer neuen Herausforderungen zu stellen und im Wettbewerb zu bestehen.