Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD, AGS:

Für eine soziale, nachhaltige und ökologische Wirtschaft

Das Handwerk und die Pandemie

Veröffentlicht am 30.09.2020 in Arbeit und Wirtschaft

Bei der Bewältigung der Corona-bedingten Herausforderungen im Handwerk sind zwei Themen derzeit von großer Bedeutung, über die ZDH-Kompakt berichtet:

"Handwerksbetriebe bilden weiter aus - Zum Ausbildungsengagement des Handwerks während der Corona-Pandemie":  Gerade in diesen von Unsicherheit geprägten Zeiten brauchen Jugendliche mehr denn je eine fundierte Orientierung auf dem Ausbildungsmarkt. Was das Handwerk und seine Organisationen hier bereits leisten und wo es weiteren Handlungsbedarf gibt, darüber informiert dieses ZDH-Kompakt.

und

"Aus der Corona-Krise lernen: Systemrelevanz einheitlich definieren": Systemrelevanz und Zugehörigkeit zur sog. kritischen Infrastruktur (KRITIS) waren bisher die zentralen Maßstäbe, anhand derer Corona-bedingte Entscheidungen seitens der Länder und Kommunen getroffen wurden. Nicht selten hat dieses Vorgehen in der Praxis zu Umsetzungsschwierigkeiten geführt. Wo die Probleme im Einzelnen liegen und was zu tun ist, ist Gegenstand dieses ZDH-Kompakts."

Der Info-Dienst „ZDH-Kompakt“ stellt regelmäßig Positionen des Handwerks zu aktuellen politischen Themen zur Verfügung und ist ein Service für Ansprechpartner in den Parlamenten, Ministerien und Parteien, Verbänden und Interessenten aus allen gesellschaftlichen Bereichen.

Für die AGS ist "ZDH-Kompakt" ein wichtiger Teil bei der Beschaffung von Informationen zum Handwerk. Die dort vertretenen Thesen und Aussagen werden überwiegend von uns geteilt. Wir verbreiten sie daher gerne über unseren WEB-Auftritt.

Handwerksbetriebe bilden weiter aus – Zum Ausbildungsengagement des Handwerks während der Corona-Pandemie

WO STEHEN WIR

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hatten und haben einen erheblichen Einfluss auf das Ausbildungsgeschehen im Handwerk. Aufgrund ausgefallener Berufsorientierungseinheiten an den allgemeinbildenden Schulen, eingeschränkter Berufsberatungen der Arbeitsagenturen und stornierten Berufsorientierungsmaßnahmen fehlen den Schulabsolventinnen und -absolventen in diesem Jahr fundierte Kenntnisse der Ausbildungsberufe sowie der offenen Aus- bildungsstellen. Nach einer ifo-Studie (ifo Schnelldienst, 2020, 73, Nr. 09, 1-17) stellen 64 Prozent der Eltern fest, dass ihre Kinder während der Schulschließun- gen deutlich weniger gelernt, die freie Zeit jedoch nicht für Berufsorientierung genutzt haben. Damit steigt die Gefahr von zeitlich verschobenen Entscheidungen oder Fehlentscheidungen bei der Berufswahl bei den Schulabsolventen. Betriebe stehen überdies immer noch vor der Herausforderung, mit Ausbildungs- platzinteressierten in Kontakt zu kommen und Ausbildungsverhältnisse mit passenden Bewerbern anbahnen zu können.

ANGEBOTE DER HANDWERKSORGANISATIONEN

Handwerkskammern und Zentralfachverbände des Handwerks haben ihre digi- talen Berufsorientierungsangebote deutlich ausgebaut und unterstützen ihre Mit- gliedsbetriebe durch digitale Angebote bei der Akquise von Auszubildenden und im Einstellungsprozess. Die Handwerkskammern und Zentralfachverbände haben Video- und Onlineinformationen für das eigene Internetangebot und verschiedene Social Media Plattformen entwickelt. Sie beraten Ausbildungsinteres- sierte, Eltern und Betriebe per Videochat, Online-Seminaren und WhatsApp- Sprechstunden und beteiligen sich an virtuellen Ausbildungsmessen. Zur Unterstützung und Ergänzung des Berufsorientierungsunterrichts an Schulen werden Online-Beratungen sowie beispielsweise interaktive Tafelbilder und Unterrichts- materialien zum Online-Download angeboten.

Zudem erhalten Betriebe Informationen und Hilfe beim digitalen Recruiting von Auszubildenden. Ergänzend steht der Berufe-Checker des Handwerks für Aus- bildungsinteressierte bereit und bietet Online-Informationen zu Ausbildungsinhalten und dem Alltag von Auszubildenden. Digitale Initiativen der Handwerksorganisation zur Unterstützung der Berufsorientierung und Vermittlung wurden in diesem Sommer im Rahmen einer Sonderumfrage ermittelt und in der Broschüre „Aktivitäten der Handwerkskammern vor dem Hintergrund der Allianz für Aus- und Weiterbildung“ veröffentlicht.

WAS ZU TUN IST

Vor dem Hintergrund der aktuell sehr komplexen und von großer Unsicherheit geprägten Situation brauchen zum einen junge Menschen mehr denn je eine fundierte Orientierung auf dem Ausbildungsmarkt. Zum anderen sind insbesondere Klein- und Kleinstbetriebe des Handwerks angesichts weiterhin stark eingeschränkter Präsenzveranstaltungen zur Vermittlung ihrer Ausbildungsplätze beim digitalen Recruiting auf Unterstützung angewiesen. In der Pandemie-Lage hat sich gezeigt, welche Bedeutung digitale Formen der Berufsorientierung haben können. In der Folge gilt es, nicht auf den Ausgangszustand vom Februar des Jahres zurückzufallen.

Das deutsche Handwerk fordert daher insbesondere

  • eine enge Vernetzung digitaler Informationsangebote der

    Handwerksorganisationen wie Handwerkskammern und Innungen mit den allgemeinbildenden Schulen für eine ergebnisoffene Studien- und Berufsorientierung auch in der gymnasialen Oberstufe,

  • eine Verankerung der Berufsorientierung in den Curricula der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen, um entsprechende Unterrichtseinheiten auch bei virtueller Lehre zu gewährleisten,

  • Förderprogramme zur Etablierung digitaler Akquise- und Ein- stellungstools für Klein- und Kleinstunternehmen,

  • individuelle digitale Beratungsangebote der Bundesagentur für Arbeit, um auch bei weiteren Quarantänemaßnahmen und Schulschließungen eine Betreuung der Schülerinnen und Schüler sicherzustellen,

  • gemeinsame digitale (Nach-)Vermittlungsaktivitäten zur Besetzung von Ausbildungsplätzen und zur Versorgung von Jugendlichen.

Aus der Corona-Krise lernen: Systemrelevanz einheitlich definieren

AUSGANGSLAGE

Während des massiven Corona-Lockdowns im zweiten Quartal 2020 mussten zeitnah komplexe und folgenreiche Entscheidungen getroffen werden: Welche Unternehmen dürfen – grundsätzlich bzw. nach Maßgabe bestimmter Hygiene- Regelungen – weiterhin mit Kundenkontakt tätig bzw. geöffnet bleiben? Wem steht Kindernotbetreuung zu? Welche Unternehmen erhalten bei Versorgungs- schwierigkeiten vorrangig Zugang zu hygienespezifischen Produkten? Wie wird z.B. grenzüberschreitende Mobilität in größtmöglichem Umfang gewährleistet? Welche Ausnahmen gelten bei lokalen Zugangs- und Ausgangsbeschränkungen?

Für diese Entscheidungen gab es zunächst keine Erfahrungswerte und damit auch keine einheitlichen Maßstäbe und Verfahrensregelungen. Zwar bemühten sich Bund und Ländern um möglichst abgestimmte Regelungen. Gleichwohl ent- schieden letztere nach ihren jeweils eigenen Kriterien. Weitere Unterschiede resultierten aus den Konkretisierungen auf kommunaler Ebene.

Dies führte zu einem Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen, die gerade auch für diejenigen Handwerksunternehmen Unsicherheiten und administrativen Aufwand bewirkten, die unverzichtbar bei der Aufrechterhaltung grundlegender Dienste waren: von der Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung über die Gewährleistung der Hygiene im Krankenhaus- und Pflegbereich bis hin zur Aufrechterhaltung öffentlicher und private Infrastruktur durch Notdienste.

Aus den damaligen Problemen müssen rasch die grundsätzlichen Lehren gezogen werden – gerade auch in Anbetracht möglicherweise anstehender neuerlicher, zumindest regionaler Einschränkungen in Abhängigkeit von der weiteren pandemischen Entwicklung in Herbst und Winter.

SCHWÄCHEN DER BESTEHENDEN REGELUNG

Systemrelevanz und Zugehörigkeit zur sog. kritischen Infrastruktur (KRITIS) waren bisher die zentralen Maßstäbe, anhand derer Corona-bedingte Entscheidungen seitens der Länder und Kommunen getroffen wurden.

Zurückgegriffen wurde dabei mangels anderweitiger Hilfestellungen auf bereits vorliegende Konzepte und Auflistungen insbesondere des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und des Bundesamtes für Sicher- heit in der Informationstechnologie (BSI). Diese Listen waren jedoch in gänzlich anderem thematischem Zusammenhang entwickelt worden, z. B. die BSI-Liste mit dem Ziel, für einzelne Sektoren und Bereiche Vorgaben zur Sicherstellung der Cybersicherheit festzulegen.
Zudem sind diese Listen im Corona-Kontext nicht unmittelbar geltendes Recht und geben nur sehr allgemeine Hinweise, die für die praktische Anwendung im jeweiligen Bundesland und dann vor Ort auch erst noch konkretisiert werden mussten – nicht zuletzt dahingehend, welche konkreten Tätigkeiten im jeweiligen Entscheidungskontext tatsächlich „systemrelevant“ bzw. „kritisch“ sind.

Hieraus und aus den damit verbundenen Umsetzungsschwierigkeiten müssen nicht nur im Lichte der weiteren Corona-Entwicklung die erforderlichen Lehren und Konsequenzen gezogen werden. Wie aktuell dies weiterhin ist, zeigen nicht zuletzt die Diskussionen zur künftigen Ausgestaltung etwaiger Reisebeschränkungen oder zum Zugang zu Schnelltest- und Impfkapazitäten.

WAS ZU TUN IST

Notwendig ist ein bundesweit weitestmöglich einheitlicher und dann auch binden- der Maßstab für die Entscheidungserfordernisse bei einem regionalen oder gar bundesweiten Lockdown:

  • Bund, Länder und Gemeinden müssen ein gemeinsames Grundverständnis dafür erzielen, welche Tätigkeiten im Pandemie-Kontext systemrelevant bzw. kritisch sind. In einer solchen Positivliste muss definiert werden, welche vor- und nachgelagerten Produkte und Dienstleistungen für die Funktionsfä- higkeit des jeweiligen Bereichs notwendig sind. So sollte ein Textil- oder ein Gebäudereiniger nicht erst aufwändig seine unverzichtbare Relevanz für die Sicherstellung der Hygiene z.B. im Gesundheits- oder Schulbereich belegen müssen.

  • Die bisherige Orientierung auf öffentliche Infrastrukturen muss ergänzt wer- den um Tätigkeiten, die auch für die private Lebensführung notwendig sind; z.B. handwerkliche Gesundheits- oder Notdienste.

  • In die Entwicklung der Positivliste müssen die betroffenen Wirtschaftskreise von Anfang an einbezogen werden.

  • Kommunale Konkretisierungsentscheidungen müssen zwecks möglichst großer Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung bundesweit transparent ge- macht werden.

  • Notwendig ist gleichfalls ein bundeseinheitliches Verfahren für den Nach- weis und die Bestätigung systemrelevanter bzw. kritischer Tätigkeiten.

  • Die Verflechtung der Wirtschaft erfordert zudem einheitliche EU-Vorgaben.